Bike-Klassiker: von Garmisch ins Reintal
Start: Olympia-Skistadion in Garmisch-Partenkirchen
Distanz: 30 km
Zeit in Bewegung: 2,5 h mit dem E-Bike
Positiver Höhenunterschied: 900 Hm
Einkehrmöglichkeiten: Partnachalm (Donnerstag Ruhetag), Bockhütte (ab Ende Mai Freitag bis Sonntag, ab Ende Juni durchgehend geöffnet), Reintalangerhütte (Mitte Mai bis Ende Oktober geöffnet)
Schwierigkeit: mittel mit technisch anspruchsvolleren Abschnitten im oberen Reintal
Karte: ATK25/S09 (Zugspitze)
“Träumer müssen sich kühne Fahrten hinauf zur Knorrhütte und ins Platt - oder eine Auffahrt via Zugspitzbahn mit Downhill ins Reintal - abschminken. Die Angerhütte ist Schlusspunkt der Veranstaltung.” Was Elmar Moser vor 30 Jahren in seinem Bike-Guide über die Tour ins Reintal schrieb, gilt auch heute noch, es gibt keine Rundtourmöglichkeit, Hin- und Rückweg sind identisch. Das sollte aber nicht als Nachteil betrachtet werden. Ist es doch ein großes Glück, dass auf dieser Traumstrecke, auf der im Sommer Bergwanderer in großer Zahl auf die Zugspitze pilgern, Biken erlaubt ist. Die beste Zeit für die Tour ist Anfang/Mitte Mai, wenn die Wege schneefrei, aber Knorrhütte und Reintalangerhütte noch geschlossen sind, dann kann man sich mit dem Bike fast allein auf dem Weg durch das wilde Wettersteintal austoben.
Bis zur Hinterklamm der Partnach arbeitet man sich auf dem Hohen Weg Richtung Reintal vor, der anfangs asphaltiert ist. Ein verträumter Waldpfad führt nach der Klamm bis zur Bockhütte. Ab da absoluter Traumtrail entlang der Partnach bis zum “Steingerümpel”. Der Name kündigt an, was folgt: Rumpelfahrt über Schotter und Geröll. Je nach Fahrkönnen wird man das Bike auch einmal schieben müssen. Die Mühe wird jedoch reich belohnt. Das Reintal ist ein tiefer Einschnitt ins Herz des Wettersteinmassivs. Bekannte Größen wie Schüsselkarspitze, Hochwanner, Hoher Gaif und Hochblassen flankieren die Fahrt. Der Blick auf das Zugspitzplatt am Horizont verschlägt einem vollends den Atem, vor allem wenn es zu Beginn der Saison noch mit Schnee bedeckt ist.
Wir starten am Olympia-Skistadion zu Füßen des Gudibergs. Vorsichtig bahnen wir uns auf der Wildenauer Straße einen Weg durch Touristengruppen, die Richtung Partnachklamm unterwegs sind. Nach wenigen Hundert Metern biegen wir rechts Richtung Partnachalm ab und lassen den Trubel hinter uns.
Respekt vor den BikerInnen, die sich ohne Motor den hier beginnenden Hohen Weg mit bis zu 20 Prozent Steigung hinaufquälen. Gnädigerweise ist das steile Stück am Anfang asphaltiert. Nach 2 Kilometern taucht die Partnachalm auf. Auf ihrer Terrasse hat man einen einmalig schönen Blick auf Eckbauer, Ferchenbachtal und Schachen. Eine super Einkehr vor allem am Nachmittag, wenn nicht mehr so viel los ist.
Ohne größeres Auf und Ab durchqueren wir auf dem Hohen Weg (Wegweiser Richtung Bockhütte) den Drehmöser Wald. Der Weg mündet in einen breiten Forstweg, auf dem wir links bergab ins Reintal rollen. An der nächsten Wegkreuzung staunen wir nicht schlecht, als wir auf einen Helikopter stoßen, der auf der winzigen Lichtung in der Kurve gelandet ist. Die Besatzung macht gerade Pause. Am Wegrand warten Schwerlasttaschen, Bierfässer und Getränketräger darauf, auf dem Luftweg zur Oberreintal- und Reintalangerhütte transportiert zu werden. Die Vorräte werden für die am kommenden Pfingstwochenende beginnende Sommersaison gebraucht.
Nach der nächsten Kurve verengt sich der Weg zum Pfad. Wir hören schon die Partnach, die durch die Schlucht der Hinteren Klamm donnert. Diese Klamm ist nicht begehbar. Ein Steg führt über die Engstelle. Nach kurzer Abfahrt sind wir am Talgrund und tauchen auf einem Karrenweg in schummriges Waldlicht ein. Bald nach dem Wegkreuz Richtung Oberreintal/Schachen erreichen wir die noch geschlossene Bockhütte, die erste der drei Hütten auf dem Weg zur Zugspitze.
Die Bockhütte markiert den Beginn des oberen Reintals. Bis zu einer ersten steilen Auffahrt im Wald genießen wir entlang der Partnach ungetrübtes Bikevergnügen. Dann wird der Weg grobschottrig, volle Konzentration ist gefordert. Die Hochgebirgslandschaft um uns herum ist einfach grandios, immer wieder machen wir Fotostopps. Linkerhand der Hochwanner, Deutschlands zweithöchster Berg (2.744 m), rechterhand der Hochblassen (2.703 m). Ihre schroffen Felswände ragen zu beiden Seiten 1.300 Meter in die Höhe. In der Ferne sehen wir zum ersten Mal das Zugspitzplatt, das noch vollständig mit Schnee bedeck ist.
Auf halbem Weg zur Reintalangerhütte verbreitert sich das Kiesbett der Partnach. Hier muss das Schottergrab der ehemaligen Blauen Gumpe sein, die bei einem Bergrutsch vor 20 Jahren vollständig verschüttet wurde. Ähnlich dramatsich geht es weiter. Vor 500 Jahren ging ein gewaltiger Bergrutsch vom Hochwannermassiv ab. Davon zeugt heute noch das “Steingerümpel”, das die Partnach oberhalb davon zur Hinteren Gumpe aufstaute. Die Geologie des Reintals hat eine bewegte Geschichte und verändert sich ständig, und so exisitert auch die Hintere Gumpe nicht mehr, sie ist völlig versandet. Umso mehr freuen wir uns über einen Wasserfall, der sehr lebendig über eine Felsstufe in die Tiefe rauscht.
Der Weg ist mittlerweile zur Geröllpiste geworden. Kurze knackige Anstiege lassen keine Langeweile aufkommen. Einige Male kommt die Schiebehilfe zum Einsatz. Aber schließlich biegen wir auf die Zielgerade der Reintalangerhütte ein und stellen am “Partnach-Lido” unsere Räder ab. Die über die Partnach gespannten Gebetsfahnen flattern farbenfroh im Wind. Die Hütte ist noch geschlossen, wird aber gerade für den Saisonstart am kommenden Wochenende vorbereitet. In Strandnähe sind Bierbänke aufgestellt, ideal für unsere mitgebrachte Brotzeit.
Nach der obligatorischen Rast an der Reintalangerhütte kann man sich natürlich einfach wieder auf den Rückweg machen. Es lohnt sich aber sehr, den Talboden des Reintals weiter zu Fuß zu erkunden. Dafür bietet sich zum Beispiel ein Abstecher zum Partnachursprung an. Für den ausgeschilderten Rundweg braucht man etwa eine Dreiviertelstunde.
Falls noch mehr Zeit ist, kann man auch noch ein Stück den Weg hinauf Richtung Knorrhütte gehen mit atemberaubenden Blicken über das Reintal. Die Knorrhütte selbst ist mit 700 Höhenmetern ab Reintalanger und 2,5 Stunden Aufstiegszeit für uns heute außer Reichweite. Beim nächsten Mal!
Im Quellgebiet der Partnach fällt uns eine Gedenktafel ins Auge, auf die Text und eine bunte Gebetsfahne graviert sind. “Das einzig Dauerhafte ist die Veränderung”. Die Tafel ist Sherpa Ang Gyalzen gewidmet. Er war ein Weggefährte von Edmund Hillary bei der erfolgreichen Everest-Expedition 1953 und arbeitete bis zu seinem Tod im Jahr 2014 als Träger und Trekkingguide in Nepal. In den 1990er Jahren lernte er in seinem Heimatdorf Namche Bazar den Hüttenwirt der Reintalangerhütte kennen, folgte dessen Einladung nach Oberbayern und verbrachte 20 Jahre lang die Sommer auf der Hütte im Reintal, wo er in der Küche mitarbeitete. Im Jahr 2008 machte sich eine Musikgruppe der hiesigen “Reintalpeople” mit ihren Instrumenten auf den Weg nach Namche Bazar, um zum 70. Geburstag von Ang Gyalzen aufzuspielen. Die musikalische Reise wurde in dem Dokumentarfilm “Nepal Namasté” verewigt.
Der Nachmittag ist schon fortgeschritten, als wir uns an der Reintalangerhütte wieder auf die Bikes schwingen. Außer uns ist kein Mensch unterwegs. Aus vollen Zügen genießen wir die freie Fahrt zurück durch das wildromantische Reintal.