Trailcamp an der slowenischen Küste
Slowenien – Land zwischen Alpen und Adria. Zufällig hatte ich etwas über ein Trailcamp an der slowenischen Küste bei Triest gelesen. Berge und Küste - das klang unwiderstehlich. In dieser Region kann man schon im Frühling und auch noch im späten Herbst biken. Wir haben das Trailcamp als geführte Tour mit Gepäck-Shuttle in drei Etappen gemacht: Slope, Bagnoli, Izola.
Unser erstes Quartier in Slope ist ein touristischer Bauernhof in einsamer Traumlage oberhalb von Triest. Dort treffen wir, vier Biker aus Oberbayern und Franken, am Nachmittag ein. Beim Abendessen lernen wir unseren slowenischen Guide Aljaž kennen und verabreden uns für den nächsten Morgen zur ersten Etappe nach Bagnoli.
Erster Tag: Slavnik und Val della Rosandra
40 km, 953 Hm, Fahrzeit 4 Stunden. Die Auffahrt zum 1.000 Meter hohen Slavnik führt über eine sanft ansteigende, waldige Schotterstraße und erinnert an Touren im Fichtelgebirge. Kurz vor dem Gipfel endet der Wald, auf den letzten Höhenmetern haben wir freien Blick nach Westen auf Mittelgebirgsgipfel, die eine schier endlose Kette bilden. Sie gehören schon zu Kroatien, die Grenze ist nicht einmal drei Kilometer entfernt.
Wir bleiben in Slowenien. Nach dem Gipfelfoto auf dem Slavnik werden die Räder in Stellung für den ersten Trail gebracht. Auf den ersten Metern ist noch alles wie in diesem Youtube-Video, in dem zwei Biker auf einem grob geschotterten Wanderweg vom Slavnik-Gipfel ins Tal rumpeln. Aber dann biegen wir in den Wald auf einen angelegten schmalen Trail ab, den man nur mit Guide findet. So wie alle Trails, die wir in den kommenden drei Tagen fahren werden.
Die slowenischen Biker arbeiten ihre Trails mit Liebe und Hingabe in ihre Berge hinein. Die Linien werden dem Terrain nicht aufgezwungen, sondern folgen seiner natürlichen Anlage. Die Trails sind flowig, technisch, dynamisch. Hinauf geht es ausschließlich mit Muskelkraft.
Aljaž gibt uns vor dem Einstieg in den ersten Trail ein paar Fahrtechniktipps, vor allem Ruhe zu bewahren, dem Bike zu vertrauen und nicht zu langsam in die technischen Passagen (an manchen Stellen S3) zu fahren. Die seien fahrend leichter zu nehmen als schiebend. Das stimmt. Ich erinnere mich, wie mich an der Schwelle zur Abfahrt in eine Senke der Mut zur Geschwindigkeit verließ, wie mir helfende Hände das Bike abnahmen und ich mich an einem trotzig aus dem steilen Erdwall ragenden Bäumchen langsam runterhangelte. Die Fahrt mit dem Bike hätte höchstens drei Sekunden gedauert. Zum Glück gibt es für alle, die sich wie ich eher auf Level S1 und S2 wohlfühlen, an den delikateren Stellen der Trails meist eine Chickenline zum Ausweichen. So bin ich fahrend und immer wieder mal schiebend stets ans Ziel gekommen, und es hat unendlich viel Spaß gemacht. Mal ganz abgesehen davon, dass ich fahrtechnisch einen Quantensprung gemacht habe.
Unten angekommen, geht es weiter in Richtung Italien. In Bottazzo fahren wir zum ersten und nicht zum letzten Mal an diesem Tag über die slowenisch-italienische Grenze. Von dort geht es auf Asphalt steil hinauf zu einer stillgelegten Bahntrasse, heute ein Rad- und Wanderweg. Von dem ehemaligen Bahnhof Casello Gabrio Modugno hat man einen fantastischen Blick auf das Val della Rosandra, ein Naturschutzgebiet im Hinterland von Triest.
Oben am Aussichtspunkt überkommt uns vier Biketouristen alle dieselbe, überwältigende Winnetou-Vision. Das Val della Rosandra gehört zu den nördlichen Ausläufern der Dinarischen Alpen, wo in den 1960-er Jahren 200 Kilometer weiter südlich in Kroatien die Karl-May-Filme gedreht wurden. Aber die Gestalten auf dem gegenüberliegenden Bergrücken sind nicht Winnetou und Old Shatterhand, sondern nur ein paar Bäume. Also schwingen wir uns wieder aufs Rad und pedalieren die alte Bahntrasse entlang bis zum Einstieg in den letzten Trail des Tages wieder hinunter nach Bottazzo. Zum Ausklang des Tages rollen wir auf einem Schotterweg das Tal entlang bergab nach Bagnoli della Rosandra, unserem ersten Etappenziel. Hier bleiben wir für zwei Nächte.
Zweiter Tag: Trails rund um Socerb und Osp
31 km, 1.138 Hm, Fahrzeit 3,5 Stunden. Der zweite Tag ist Trailcamp pur. Auf der Strada Provinciale fahren wir vormittags mehrmals von Bagnoli hinauf nach Prebeneg im Bezirk Socerb. Auf Trails mit Namen wie „Toboga“ (klingt nach Oktoberfest) und „Pivo“ (Slowenisch für „Bier“) geht es wieder runter ins Tal. Dann wieder rauf nach Prebeneg, wo sich ein weiterer Trail über die slowenische Grenze hinunter nach Osp schlängelt. Wie von einer Riesenpranke herausgehauen, dominiert ein gigantischer Felsabbruch den kleinen Ort. Zum Felsmassiv von Osp pilgern ganzjährig Kletterer aus aller Welt.
Wir wollen aber mit den Bikes auf den gegenüberliegenden Berg. Die Route führt von Osp in einer langen Schleife erst auf Asphalt, dann auf Schotter und schließlich auf einem steilen Karrenweg auf den Berg Tinjan. Der Einstieg in den Trail vom Tinjan ist sogar für unseren Guide Aljaž schwer zu finden. Er beginnt gleich mit einer Steilpassage, zum Glück mit eingebauter Chickenline, danach geht es flowig wieder hinunter nach Osp.
Auf einem Wanderweg geht es noch einmal steil hinauf zurück nach Prebeneg. Lust hätten wir schon auf einen weiteren Trail, aber kräftemäßig sind wir ziemlich am Limit und fahren deshalb auf direktem Weg zurück nach Bagnoli und dort in die Gelateria.
Dritter Tag: Bagnoli – Izola
23 km, 264 Hm ↗, 1.300 Hm ↘, Fahrzeit 2 Stunden. Heute, am dritten Tag, ist es also soweit, unsere Tour führt ans Meer! In der Früh geht es los zu den Trails rund um die Küstenstadt Koper. Aljaž hat ein Shuttle organisiert, das uns viele Kilometer auf Asphalt in der nicht so schönen Umgebung von Koper erspart.
Die Trails des heutigen Tages hat eine Gruppe von Bikern aus der Region Koper gebaut. Sie sind kurz, schmal und steil. Nach den Erzählungen der anderen bin froh, dass ich von den ersten Trails nur den einen „smoothen“ gefahren bin und auf den Texas-Trail (Rodeo!) verzichtet habe. In Korte hoch über Koper treffen sich alle im Gasthaus Gostilna (sehr empfehlenswerte Küche) wieder. Von Korte aus sind es nur noch wenige hügelige Kilometer und ein letzter Trail bis zum Meer. An späten Nachmittag sausen wir schließlich durch einen schmalen Tunnel und kommen mit quietschenden Bremsen abrupt zum Stehen, geblendet vom Blick hinunter auf Izola, das sich mit Hafen und Häusern unter roten Ziegeldächern an die Adriaküste schmiegt. Die Slowenische Riviera!
Sogar unser Hotel kann man von hier aus schon sehen, es liegt direkt am Hafen. Keine Viertelstunde später sind wir unten. Es ist Samstagnachmittag, Familien und Touristen flanieren über die Kais und genießen am Strand diesen perfekten Sonnentag. Weit und breit kein Wölkchen am Himmel, Möwen streiten schrill, im Hafen schaukeln Jachten und Fischerboote, Masten klimpern. Besser geht’s nicht.
Letzter Tag: Izola – Piran
Am Rückreisetag gibt es noch eine ganz besondere Minitour nach Piran. Wie oft im Leben hat man schon die Gelegenheit, in der Morgensonne über steinige Piere und auf Küstentrails durch Pinienwälder in eine uralte Hafenstadt im venezianisch-italienischen Stil zu biken? Die Kathedrale von St. Jurij in Piran ist der letzte Punkt unserer Slowenien-Tour. Hier gibt es nicht nur einen grandiosen Blick auf den Tartiniplatz und die umgebende Altstadt, sondern auch viele Umarmungen und gegenseitiges Gratulieren zur gelungenen Tour.
Ein letzter Espresso in einem der Cafés auf dem Tartiniplatz, dann werden wir im Hafen von einem Shuttle abgeholt. Die Fahrt zurück von Piran nach Slope dauert eine gute Stunde. Wir sehen einige Gegenden wieder, in denen wir in den drei Tagen zuvor mit dem Bike unterwegs waren, die Erinnerungen daran sind noch ganz frisch.
Aljaž
Das Trailcamp in Slowenien hat alle meine Erwartungen getoppt. Ich hatte mich auf eine mediterrane Mittelgebirgslandschaft unter azurblauem Himmel eingestellt und gehofft, sicherer bergab auf dem Bike zu werden. Genau so kam es. Dass diese Tage ein unvergessliches Erlebnis bleiben, dazu hat vor allem unser Guide Aljaž beigetragen. Aljaž ist professioneller Eiskletterer, Bergführer, Bikeguide und ein Mensch, den man sofort ins Herz schließt. Er hat unsere Gruppe souverän durch alle Trails geführt, geduldig an den richtigen Stellen Tipps gegeben, uns aus der Patsche geholfen, Bikes Steilhänge raufgehievt, bei Vollgas einhändig Fotos gemacht, uns die schönsten Locations gezeigt und unsere Freude am Fahren geteilt. Vor allem aber hat er uns angesteckt mit seiner Begeisterung für sein Land. Lepa Slovenija!